von Aries Eeberg
Ich bin auf zwei hochinteressante Autobiografien gestoßen. J.D. Vance und Kamla Harris haben einige Zeit vor ihren gegenwärtigen Kandidaturen über ihr Leben geschrieben.
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Am meisten überrascht hat mich die Vance-Biografie. Er schreibt in aller Offenheit über seine Entwicklung aus einer Familie der Working Poor in Kentucky, den sogenannten Hillbillys. Dabei offenbart er einen ehrlichen und differenzierten Blick auf seine Verwandtschaft und die Strukturen in denen sie leben. An Hand seines eigenen Lebensweges zeigt er, was strukturelle Gewalt ist und wie die Menschen in diesen Strukturen selber diese Strukturen verfestigen. Er zeigt aber auch, wie verlässliche Beziehungen und die richtigen Menschen am richtigen Ort diese Verhältnisse ändern können. Auch den amerikanischen Institutionen wie den öffentlichen Schulen und der Armee billigt er eine positive Funktion zu. Und nicht zuletzt schildert er, wie die Eliten ihn trotz seiner ungehobelten Art bei sich aufgenommen haben.
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Die Biografie von Harris macht einen viel polierteren Eindruck. Es gibt nur etwas Schatten in ihrem Lebenslauf wie die Scheidung ihrer Eltern oder, dass sie einmal durchs juristische Examen gefallen ist. Sie hatte auch mehr Glück, weil sie trotz allem in verlässlichen Familienbeziehungen aufwuchs und das liberale Kalifornien der 60er und 70er ihre Entwicklung unterstützte. Als Frau und Farbige musste sie allerdings mehrere gläserne Decken durchstoßen, um in hohe Staatsämter aufzusteigen.
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Abgesehen davon haben beide Biografien überraschend viel gemeinsam, obwohl doch beide von den gegensätzlichen Polen der amerikanischen Politik aufeinander prallen.
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Hier sind die Gemeinsamkeiten:
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• Beide haben eine juristische Laufbahn. Vance hat sogar in Harward studiert.
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• Beide kommen von den Rändern der Gesellschaft zur Kandidatur für höchste Staatsämter. Vance kommt aus der weißen Unterschicht und Harris ist Kind farbiger Migranten. Beide mussten in die Eliten Amerikas erst hinein finden und sich als soziale Aufsteiger in einer ihnen fremden Umgebung orientieren und behaupten.
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• Beide bewegt die soziale Frage aus eigener Erfahrung. Sie bringen Empathie mit für die Menschen in schwierigen Strukturen und deren individuellen Lebensentscheidungen. …. Leider hört man davon wenig in den aktuellen Wahlkampfreden von Vance. Harris erwähnt manchmal ihren jamaikanischen Hintergrund, der die Armut kennt. Die Lösungen, die beiden vorschweben, sind von ihren jeweiligen politischen Einstellungen geprägt.
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• Beide haben engste Verwandte indischer Herkunft. Harris hat eine indische Mutter und ist in deren akademischer Großfamilie eingebunden. Vance hat eine indischstämmige Frau geheiratet. Sie ist seine beste Beraterin und half ihm aufs gesellschaftliche Parkett. Damit teilen sie einen Zug des erfolgreichen Amerikas, das heute indischstämmige Menschen auch als CEOs größter Konzerne für sich arbeiten lässt.
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Wir haben es also hier mit einer neuen Generation von Amerikanern zu tun. Sie haben mehr gemeinsam als ihre politischen Kontroversen ahnen lassen. Und mit ihrer Empathie für die Schwächeren der Gesellschaft könnten sie das Land heilen. Ihre hervorragende Ausbildung und persönliche Strebsamkeit sollten es ihnen möglich machen.
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Vance und Harris zeugen von einer sozialen Aufwärtsmobilität in den USA. Der Amerikanische Traum lebt also für die Generation, die heute in ihren 40ern und 50ern ist. Durch unterstützende Familien, persönlichen Fleiß und die amerikanischen Institutionen können Menschen in Amerika bis in die Eliten aufsteigen.
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Deshalb habe ich wieder Hoffnung für die USA. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind mehr als zwei Greise, die unversöhnlich aufeinander los gehen. Hier kommt eine Generation, die die Geschichte des Amerikanischen Traums wieder neu schreiben wird. ….
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Literatur:
Kamala Harris, „The Truths We Hold, An American Journey“, USA 2019
J. D. Vance, „Hillbilly Elegy, A Memoir of a Family in Culture Crisis“, London 2016
Kommentare
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Depotchart seit 25.02.2022
Danke für diese fundierte Kurz-Zusammenfassung, lieber Aries.
Hallo Aries,
Ich finde es klasse dass Du das Buch gelesen hast zwecks persönlicher Meinungsbildung.
Einen zentralen Aspekt ignorierst Du jedoch.
Deine Annahme ist:
„Und mit ihrer Empathie für die Schwächeren der Gesellschaft könnten sie das Land heilen.“
Politiker (und auch Wirtschaftsführer) stellen gerne ihre angebliche Empathie heraus. Das ist reines Marketing. Fakt ist:
Um in Spitzenpositionen zu gelangen, darf man keine Empathie walten lassen.
Das begreifen die meisten nicht.
Insofern ist von der Politik entscheidend, welche Policy umgesetzt wird. Und was das Ergebnis einer Policy ist.
Vielleicht magst Du ja die Unterschiede in den Policies herausstellen? Und zwar nicht die Wahlkampf-Versprechungen, sondern die Fakten – wer steht wofür?
Michael, lies bitte die Biographie von Vance. Dieses Buch halte ich für ehrlich, da es nicht im Zusammenhang mit einer Wahl geschrieben wurde und schon älter ist. Was deine Bedenken gegenüber der Wahrhaftigkeit von Politikern angeht, ist diese Biographie auch interessant. Vance schildert nämlich, wie er in die Kreise der Eliten hinein gewachsen ist und überrascht von der persönlichen Moral dieser Menschen war.
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Dennoch ist Vance wahrscheinlich ein Narzist, der Beziehungen zum eigenen Vorteil ausnutzt und gestaltet. Auch die Schwankungen in seiner öffentlichen Meinung spricht nicht für ihn. Entweder ist sein Urteilsvermögen wandelbar oder er folgt einfach den stärkeren Bataillonen. Seine Biografie halte ich allerdings für unbedingt lesenswert, um diesen Teil der amerikanischen Gesellschaft und die soziale Denke eines Konservativen zu verstehen.
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Er war übrigens auf Yale Law und nicht in Harvard, wie ich oben geschrieben hatte. Beides natürlich Elite-Unis.
„Dennoch ist Vance wahrscheinlich ein Narzist, der Beziehungen zum eigenen Vorteil ausnutzt und gestaltet.“
Mutmaßlich ja, analog zu Trump, Obama, Baerbock, uvm…
„oder er folgt einfach den stärkeren Bataillonen.“
So läuft es nun einmal seit Jahrtausenden ab. Der Mensch an sich bleibt ja Mensch – Stichwort „Herdentrieb“ (von mir auch als Lemmingverhalten bezeichnet).
Was die Börse betrifft darf es keinen nennenswerten Abschwung bis zur Wahl geben – das würde nicht zu meinem Drehbuch passen.
Empfehlung: Goldseiten Sonntags lesen
Artikel vom 28.07.
https://www.goldseiten.de/artikel/626673–Defla-XL—Kein-Neukredit.html
Es kam wie es kommen musste.
Und das der Artikel vom letzten Sonntag – er setzte mEn das entscheidende Thema
https://www.goldseiten.de/artikel/626702–Defla-XXL—Schluss-mit-lustig.html
Trump, Obama und dann baerbock zu erwähnen? na ja……
Aber Trampolinspringen kann sie. Welche Politikerin/er weltweit kann das schon😎
„Der amerikanische Traum lebt“ jo…der Kandidat der Demokraten f. die Vizepräsidentschaft Walz ist dafür ein weiteres positives Beispiel. Der amerikanische Wahlkampf ist aber eher ein Albtraum.
„Politiker (und auch Wirtschaftsführer) stellen gerne ihre angebliche Empathie heraus. Das ist reines Marketing.“
Das gilt auch für Walz. Auch er hat – wie mutmaßlich Vance – andere wegboxen müssen, um in seine Spitzenposition zu kommen.
Die Masse der Menschen fällt trotzdem immer wieder auf die Schauspielerei und leeren Versprechungen rein, wenn diese von den Mehrheitsmedien verbreitet wird.
Deshalb verarmt die Masse auch sukzessive.
„Der amerikanische Wahlkampf ist aber eher ein Albtraum.“
Zustimmung.
Zusatz: auch der deutsche Wahlkampf ist kein Wettkampf um die richtigen Weichenstellungen und wichtigen Themen mehr, sondern eine Medienshow.
Ich bin entsetzt über die Aussagen der Demokraten im Wahlkampf. Auch sie greifen zu Lügen und Verunglimpfung des Gegners. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel!
Aries, Du denkst wenigstens noch nach…und äußerst Dich konkret.
Ein Lob aus deiner Ecke, Michael, sollte mich nachdenklich machen.
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Meinen Kommentar hatte ich unter dem Eindruck der ersten Rede von Tim Walz geschrieben. Besonders fand ich unpassend, als er sagte, dass Vance sich endlich von seiner Couch erheben sollte. Walz ist wohl eher fürs Grobe zuständig. … Diese Geschichte mit der Couch ist ja auch Fake-News und kommt wahrscheinlich aus dem demokratischen Lager. So etwas ist unwürdig.
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Bei der Trump-Kampagne haben wir allerdings ein Ausmaß an Lügen und Geschmacklosigkeiten, das Trump von vorne herein disqualifiziert.
Die Demokraten haben sich auf ihrem Parteitag Mühe gegeben, einen anderen positiven Stil zu pflegen.
Das sind zwar eher weiche Faktoren. Aber die Mittel müssen auf jeden Fall den Zielen entsprechen. …. Means and ends must meet. Das habe ich von Martin Luther King jr. gelernt.