von Raimund Brichta
So oder ähnlich hätten die Schlagzeilen heute lauten können. Dagegen lesen wir: „Deutsche Wirtschaft in die Rezession gerutscht.“
Tatsächlich war das Brutto-Inlandsprodukt aber so hoch wie nie: Es stieg gegenüber dem Vorquartal um 1,0 Prozent auf einen kalender- und saisonbereinigten Rekordwert von 999,83 Mrd Euro. Also fast eine Billion! Gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal ergibt sich damit sogar ein Wachstum von 5einhalb Prozent.
Das sind keine Fantasiezahlen, sondern es ist der tatsächliche aktuelle Wert aller in Deutschland hergestellten Produkte und erbrachten Dienstleistungen, der vom Statistischen Bundesamt fürs erste Vierteljahr 2023 errechnet wurde.
➡️ Klar, von diesem Wert wurde noch nicht die verflixte Inflation abgezogen.
Aber fühlt sich so eine echte Rezession an❓
Und woran sollte sich die Börse orientieren❓
An den nominalen oder an den realen Wachstumsraten❓
Was meint Ihr❓
Das ist nicht ganz richtig. Das ist der Umsatz den Deutschland generierte. Da die Löhne massiv stiegen, dazu Produkte extrem teurer geworden sind ist das das Ergebnis. Fakt ist aber, dass viel weniger Produkte generiert und verkauft wurden.
Was ist daran “nicht ganz richtig“? Ich habe bewusst vom aktuellen Wert aller Güter und Dienstleistungen gesprochen. Das ist meines Wissens nach korrekt.
Und was Deine Formulierung „viel weniger Produkte generiert und verkauft“ anbelangt: Das ist nur die halbe Wahrheit. Denn während das produzierende Gewerbe tatsächlich schwächelt, boomt es in bestimmten Dienstleistungsbereichen geradezu. Zum Gesamtbild gehört aber beides. Im Prinzip ist das auch nur eine Umkehr aus der Corona-Zeit: Damals schwächelten viele Dienstleistungsbereiche, aber die Produktion von Gütern lief teilweise am Limit.
Hier muss ich dir widersprechen. Auch hier sinken die Dienstleistungen, nur die extrem steigenden Preise sorgen dafür, dass die Gesammtmenge steigt.
Dazu zitiere ich am besten mal aus der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts: „Dagegen wurde für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen deutlich mehr ausgegeben als im 1. Quartal 2022 (preisbereinigt) …. Die meisten anderen Dienstleistungsbereiche konnten ihre wirtschaftliche Leistung im Vorjahresvergleich ebenfalls steigern.“
Sind die ganzen Coronatoten auf Kosten der Krankenkasse im Urlaub, weil der achso böse Stress mit Kinderhüten, um Haushalt kümmern, dazu Partner die Laune nicht steigert?
Kein Wunder, dass preisbereinigt steigt, wenn das diese verstehen und die Kosten weiter massiv anheben. Achso dazu kommt der extrem gestiegene Mindestlohn, der die Kosten treibt. Das wird übrigens unter Anderem der Grund sein wieso bei jeder Sitzung dieses Jahr die Leitzinsen weiter steigen.
Zuerst schreibst Du: „Auch hier sinken die Dienstleistungen, nur die extrem steigenden Preise sorgen dafür, dass die Gesammtmenge steigt.“ Und jetzt schreibst Du, dass es auch preisbereinigt steigt. Welche Variante gilt denn nun?
Sehr gut aufgepasst
Es gibt Länder, da gibt es nur Millionäre. Können eigentlich Millionäre wirklich arm sein? Ja das können sie. Bei vielleicht 8 Prozent Inflation wäre ein um 5 Prozent gestiegenes Brutto-Inlandsprodukt ein Rückgang.
Ich lese überall, dass die höheren Zinsen die Nachfrage im Handel abwürgen. Leben denn alle auf Kredit? Wer Guthaben hat, bekommt doch jetzt Zinsen. Sein Einkommen erhöht sich. Wieso schreibt darüber niemand?
Als die Zinsen runter gingen, war das schlecht und jetzt wo sie hoch gehen, ist das auch schlecht. Könnte aber auch sein, dass Nachtrichten sowieso immer schlecht sind. Wer keine Lust auf Untergang hat, schaltet einfach mal Radio und Fernseher für ein halbes Jahr aus. Dann sieht es zwar richtig böse aus, aber man hat halt nichts davon mitbekommen.
Was das für die Börse bedeutet: Langfristig schlägt Sitzfleisch die Nachrichtenlage. Oder wie Kostolany sagte: Schlaftabletten nehmen, Radio ausschalten und in 5 Jahren aufwachen. Wichtig ist und bleibt, dass man gute Werte hat.
Ich bin recht entspannt, weil ich erstens, keine deutschen Aktien habe und zweitens die Untergangsnachrichten aus den USA oder Frankreich nicht mitbekomme. Man kann tatsächlich mit Aktien gut schlafen, solange man nicht in Deutschland investiert ist. Die Sorgen, die hier an die Wand gemalt werden, betreffen einen nicht. Und die Sorgen der anderen Länder bekommt man nicht mit.
„Könnte aber auch sein, dass Nachrichten sowieso immer schlecht sind.“
Genau das ist der Punkt. Als die Produzenten am Limit produzierten, war es schlecht, weil nicht alles sofort lieferbar war und weil die Preise stiegen. Jetzt ist es schlecht, weil die Produzenten in der Produktion schwächeln.
Nur durch die nominale Brille zu schauen und die reale Situation nicht wahrhaben zu wollen, verschleiert die Situation. Real haben Unternehmen und auch Bürger unter hohen Energiepreisen zu leiden, die sich in Preiserhöhungen in allen Bereichen durchschlagen. Der Euro verliert auch 20 Jahre nach seiner Einführung immer noch an Wert.
Aus Sicht des Börsenanlegers halte ich diese Brille aber für geeignet, weil auch an der Börse die Entwicklung der Unternehmensgewinne und der Aktienkurse nach nominalen Größen gemessen wird.
„nominal…..real“ m.E. relativ= wo verliere ich ìn einen individuell zu bestimmenden Zeitraum am wenigsten? Die Geldwelt ist wenig real =Papier, unedeles Metall u. unstabiles Vertrauen.
Vielleicht ist eine technische Rezession wie eine technische Insolvenz noch kein dramatisches Signal. Es scheint einfach genügend Liquidität im Umlauf zu sein, das auch Lagerproduktion begünstige. Lager heißt nun mal hergestellt, aber noch nicht abgesetzt. Warten wir darauf, wenn die Liquidität knapp wird, wie es dann mit Konsum und Investition (in Anlagenbau, KFZ etc) aussieht.
Danke für die Einordnung.
Gerne 😀
Aussagen komplett ohne Wert, höchstens für die Medien zum Berichten. Wie ist es um die Infrastruktur von Deutschland bestellt, wie um das Lohnniveau eines großen Teiles des Konsumenten, wie hoch ist der %-Anteil von MINT-Abgängern usw.. Einfach lächerlich diese Jubelmeldungen … Aktuelle Kamera reloaded.
Es handelt sich nicht um eine „Jubelmeldung“, sondern um eine andere Sichtweise zu den gestrigen „Schreckensmeldungen“, nach denen Deutschland in die Rezession gerutscht sei. Die Sache hat eben mehrere Seiten, und eine davon ist, dass das deutsche BIP zu laufenden Preisen auf Rekordniveau liegt.
Ich bin froh, dass jetzt von realen Rezessionen – auch möglicherweise in USA – die Rede ist. Dann können die Aktien endlich auf breiter Front wieder steigen, wie es so oft in Rezessionen geschehen ist. …. Der DAX ist nur etwas voreilig gewesen. Vgl. heute CNBC: „A U.S. recession would be ‘good news’ for markets, strategist says“
.
Und auch der Welt-Index in Dollar hat die Trendwende ja schon vollzogen. Hier allerdings macht mir das aktuelle Chartbild etwas Sorge. Das könnte ein Doppelhoch werden. Ich glaube allerdings mehr, dass der Markt nach Überwindung der 200 TL etwas konsolidiert.
Aussagen komplett ohne Wert, höchstens für die Medien zum Berichten. Wie ist es um die Infrastruktur von Deutschland bestellt, wie um das Lohnniveau eines großen Teiles des Konsumenten, wie hoch ist der %-Anteil von MINT-Abgängern usw.. Einfach lächerlich diese Jubelmeldungen … Aktuelle Kamera reloaded.
Es handelt sich nicht um eine „Jubelmeldung“, sondern um eine andere Sichtweise zu den gestrigen „Schreckensmeldungen“, nach denen Deutschland in die Rezession gerutscht sei. Die Sache hat eben mehrere Seiten, und eine davon ist, dass das deutsche BIP zu laufenden Preisen auf Rekordniveau liegt. Und dies wiederum kann eine Erklärung dafür liefern, warum der DAX – auch zu laufenden Preisen – ebenfalls auf Rekordniveau liegt. Natürlich hängt der DAX nicht nur von der deutschen Wirtschaft ab, aber auch.
Ist aber nur ein statischer Wert. Es gibt ja durchaus kritische Meinungen zur Berechnungsgrundlage. Ist wie mit der Inflation: wie hoch ist aktuell das Basiseinkommen zur Berechnung? Der passt für einen sehr großen Teil der Bevölkerung nicht. Für die USA gibt oder gab es da früher shadowstats.com. Diese Statistiken sind im Grunde „des Kaisers neue Kleider“.
Was „ist aber nur ein statischer Wert“? Meinst Du die Inflation? Genau das ist ja ein Grund, warum ich so großen Wert darauf lege, auch die nominalen BIB-Zahlen zu betrachten, ohne dass daraus die Inflation herausgerechnet wird. Denn die offizielle Inflationsrate ist mit so großen statistischen Unsicherheiten behaftet, dass sie ohnehin mit großer Vorsicht zu genießen ist. Das beste Beispiel dafür lieferte vor Kurzem das Statistische Bundesamt selbst: Es hat seine offizielle Inflationsberechnung für 2022 um sage und schreibe einen Prozenpunkt nach unten korrigiert. Im nominalen BIP sind zumindest solche Fehler nicht enthalten 😀
Statistiken, über die keiner spricht – die jedoch aussagekräftig sind.
Bezieher von „food stamps“ (SNAP) in den USA im Jahre 2019 unter Trump: 38 Mio Menschen.
Aktuell unter Biden: 42 Mio Menschen in den USA.
Dem US-Aktienindizes ist das naturgemäß egal.
Vielleicht ist eine technische Rezession wie eine technische Insolvenz noch kein dramatisches Signal. Es scheint einfach genügend Liquidität im Umlauf zu sein, das auch Lagerproduktion begünstige. Lager heißt nun mal hergestellt, aber noch nicht abgesetzt. Warten wir darauf, wenn die Liquidität knapp wird, wie es dann mit Konsum und Investition (in Anlagenbau, KFZ etc) aussieht.
„Warten wir darauf, wenn die Liquidität knapp wird, wie es dann […]“
Völlig richtig… Die FED ist jedenfalls fleißig mit ihrer Bilanzsummenreduktion beschäftigt…
„Die FED ist jedenfalls fleißig mit ihrer Bilanzsummenreduktion beschäftigt…“
Ja, sie versucht es wenigstens. Und wenn das Zentralbankgeld knapp wird, wird die FED die Bilanzsumme wieder erhöhen, so wie im Spätsommer/Herbst 2019.
https://www.fisherinvestments.com/en-us/insights/market-commentary/no-the-feds-balance-sheet-doesnt-explain-stocks-moves
Wer weiss schon was die FED morgen macht? Vmtl. nicht einmal die FED selbst.
Hallo Raimund, wenn ich in die Statistik schaue, steht nominal im 1. Quartal 2023 ein Wert von 997,9 Mrd. Euro zum Vergleich im Vorquartal von 1006,8 Mrd Euro. Also doch ein Rückgang?
Du musst in die zweite Spalte schauen, die um Wochenenden/Feiertage bereinigt ist. Dort stieg das BIP von 989,930 auf 999,830 Mrd €. Deshalb hatte ich bewusst auf den „kalender- und saisonbereinigten Rekordwert“ hingewiesen (siehe Beitrag).
Im Übrigen ist die kalender- und saisonbereinigte Spalte auch die, auf sich das Statistische Bundesamt stets bezieht, nur eben real, also nach Abzug der Inflation. Das ist die letzte Spalte.
Sorry, wenn ich nachfrage… Aber welche zweite Spalte? Ich sehe nur eine Spalte mit nominellen Zahlen oder habe ich die falsche Tabelle?
https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Tabellen/bip-bubbles.html
Hier ist der entsprechende Ausschnitt der Tabelle. Ich habe die entsprechenden Zahlen für Dich eingerahmt. Die vollständige Übersicht seit 1970 kriegst Du hier.
Da siehst Du auch, dass der saison- und kalenderbereinigte Quartalswert noch nie bei 1 Billion Euro lag.