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Zurecht gegeneinander streiten…

3. November 2023
Aries Eeberg
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von Aries Eeberg

Historische Überlegungen zur geopolitischen Lage:

Die Welt erleidet gerade zwei Kriege. In beiden sieht sich jede Seite im Recht. So verhält es sich im Konflikt zwischen Hamas und Israel und zwischen Russland und Ukraine.
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Israel ist auf brutalste Art terroristisch angegriffen worden und pocht auf das Recht zur Selbstverteidigung. Die Hamas nimmt sich das Recht, für die jahrzehntelange Unterdrückung der Palästinenser legitime Vergeltung zu üben. Die Ukraine wehrt zurecht den Einmarsch eines überlegenen Gegners ab. Während Russland das jahrzehntelange Heranrücken der NATO an seine Westgrenze beklagt. Jetzt beharrt Russland darauf, in „seinem“ Einflussbereich zurecht die Verhältnisse zu bestimmen.
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Es gibt in beiden Kriegen einen klaren Aggressor, der das Lebens- und Selbstbestimmungsrecht eines Landes bedroht und mit brutalen Mitteln vorgeht. In beiden Fällen begeht der Aggressor Massaker mit Misshandlungen und Vergewaltigungen an der Zivilbevölkerung. Damit setzen sich sowohl die Hamas als auch Russland eindeutig ins Unrecht.
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Beide Aggressoren haben aber auch eine erhebliche Machtkonstellation hinter sich und ihr Verhalten ist zumindest aus der vorherigen Bedrängung heraus verständlich. Die terroristischen Handlungen können als Explosion erlittener struktureller Gewalt angesehen werden. Man muss aber betonen: Die benutzten Mittel heiligen nicht den verständlichen Zweck!
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Nun ist die Welt in der Beurteilung beider Konflikte durchaus gespalten. Besonders die Länder des globalen Südens stimmen für die Aggressoren trotz ihres unrechtmäßigen Verhaltens oder enthalten sich. Sie werten wohl die lange erlittene Unterdrückung der Aggressoren als Legitimation für die derartig vorgetragenen Angriffe. Die Länder des globalen Südens bringen für beide Konfliktparteien Verständnis auf.
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Ich denke, dass sich die Länder des globalen Südens an ihre eigene Geschichte erinnern. Sie waren die Objekte des europäischen Kolonialismus und des amerikanischen (und sowjetischen) Imperialismus. Alles Schreckliche, das Ukrainern und Israelis heute widerfuhr, haben sie selber lange erlebt. Da ist es nur verständlich, dass sie mit dem globalen Norden wenig Mitleid haben, wenn der jetzt solche Erfahrungen machen muss.
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Für den Konflikt in Israel tragen die Europäer und Russland eine klare Mitverantwortung. Hätte es in Europa nicht über Jahrhunderte Pogrome an Juden bis hin zum Holocaust gegeben, hätten die Juden nicht einen eigenes Land erobern wollen. Die Juden wollten einen sicheren Ort, wo sie nie wieder abgeschlachtet werden. Schließlich setzten die europäischen Kolonialmächte 1948 durch, dass sich der Staat Israel auf arabischem Territorium gründen konnte. Das war eine koloniale Handlungsweise mit Rückendeckung der UNO. Die Europäer entzogen sich so der Verantwortung für ein Lebensrecht der Juden in den eigenen Staaten. Bis heute gibt es in Europa Antisemitismus.
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Wer das Recht hat, in Israel zu leben, ist durchaus unklar. Immer wieder sind neue Völker in Israel sesshaft geworden. Juden, Muslime und Christen haben abwechselnd Jahrhunderte lang dort geherrscht. Seit 70 nach Christus leben allerdings keine Juden mehr in Israel. Historisch haben sie somit wenig Recht auf das Land. Und erst im 20. Jahrhundert sind sie wegen der Judenverfolgungen in Europa dort wieder eingewandert. Die Bibel ist ehrlich. Schon 1200 vor Christus haben die Israeliten Palästina mit Gewalt von anderen Völkern erobert. So geschieht es auch heute wieder.
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Die Verhältnisse sind also verfahren und nur schwer zu entwirren. Wo kann die Lösung liegen?
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Zunächst sollten die ehemaligen Kolonialmächte und die imperialen Mächte ihre Mitschuld eingestehen. Bundespräsident Steinmeier ist hier ein Vorbild. Gerade hat er sich in Tansania für die Verbrechen der deutschen Kolonialisten dort entschuldigt. Aus Schuld erwächst Verantwortung für die Folgen des eigenen Tuns. Auch für die Ukraine tragen besonders Deutschland und Russland historische Verantwortung. Bei Länder haben die Ukraine als Kolonie beherrscht und die Menschen dort als Untermenschen behandelt.
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Eine weitere Lösung wäre ein Friedensprozess wie der Westfälische Frieden im 17. Jahrhundert. Damals führten alle europäischen Mächte 30 Jahre lang auf deutschem Boden Krieg gegeneinander. Die Opfer und Verwüstungen waren unbeschreiblich. Alle Seiten waren am Ende des Krieges müde. Der Westfälische Frieden stellte dann den Status Quo fest. Und er schuf einen Ausgleich der Interessen. 3 Jahre wurde verhandelt. Die Konfliktparteien tagten an unterschiedlichen Orten. Neutrale Vermittler sorgten für die Kommunikation untereinander. Das Ergebnis war ein relativ stabiler Friede mit einer gerechteren Neuordnung der Verhältnisse.
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So könnte es zwischen Israelis und Palästinensern gehen. Und auch zwischen Russland und dem Westen könnte es zu einer derartigen Lösung in der Ukraine kommen. Das ist nicht ideal. Aber die Menschen sterben nicht mehr und sie können ihre Länder wieder aufbauen.
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Ein anderes Szenario ist auch denkbar: Die Länder des globalen Südens werden immer stärker und behandeln die ehemaligen Kolonialherren und Imperialisten so, wie sie es von ihnen erfahren haben. Das wollen wir uns lieber nicht vorstellen.
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Es ist auf jeden Fall keine Lösung, dass der „Westen“ seine Werte und seine regelbasierte Ordnung durchsetzen will und sich an beide selber oft nicht hält.

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Kommentare

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  • Sadoma sagt:

    Sehr gute Analyse, ich habe nur Probleme neutrale Dritte zu identifizieren☹️

  • Michael sagt:

    Aries, Deine Gedanken zeugen von Wissen, Erfahrung, Abwägung und Empathie.

    Tipp von mir: geniesse die Lebenszeit und mache Dir nicht zu viele Gedanken um das Drumherum.

    Wir werden Zeitzeugen einer neuen Weltordnung. That’s it.

  • Umberto sagt:

    Möchte nur daran erinnern , dass die Juden nie weg waren! Viele wurden 70 n Chr. von Titus verjagt,aber nicht alle!! Denn selbst Mohamed hatte Juden kennengelernt und auch geschätzt! Schliesslich sind Abraham u Moses auch Teil des Korans!!
    Im 19 Jahrhundert kamen viele Juden nach Israel ( Zionismus) und siedelten sich dort an! Damals noch Teil des Osmanischen Reiches , war die Region dünn besiedelt und sehr Arm. Juden kaufen von den Arabern öde Ländereien um diese dann in blühende Landschaften zu verwandeln! Als die Engländer die Macht in der Region übernahmen brauchten sie Manpower um Eisenbahnlinien u Strassen zu bauen.
    Diese kamen dann aus den nördlichen Teilen der Region ( heute Türkei Irak Syrien) .Dadurch stieg die muslimische Bevölkerung in der Region,!
    Hätten die Araber die v England u Frankreich vorgeschlagene 2 Staatenlösung akzeptiert ,gäbe es heute keinen Krieg und sehr wahrscheinlich eine wirtschaftlich erfolgreiche Region!!
    Saudiarabien und VAE haben es in den letzten Jahren endlich erkannt: Zusammenarbeit mit Israel bringt für alle was!!!

    • Aries Eeberg sagt:

      Ja, was du sagst ist auch wahr. Ich habe den Lauf der Geschichte etwas vereinfacht. An vielen Weggabelungen der Geschichte hätte es besser laufen können. … Das ändert aber nichts daran, dass die Judenpogrome in Europa der Auslöser für die Wiederbesiedlung Israels durch Juden waren.
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      Israel war nie leer. Es lebten dort immer die verschiedensten Völker. Deshalb musste die ersten jüdischen Siedler den dort lebenden Arabern das Land ja auch abkaufen. Dass sie dort erfolgreich Landwirtschaft trieben, ist bewundernswert, macht sie aber nicht zu besseren Menschen.
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      „Möchte nur daran erinnern, dass die Juden nie weg waren!“
      Stimmt. Die Juden waren ja verstreut und sind nach Europa, Nordafrika und Asien – später Amerika ausgewandert. Schon zu Jesu Zeiten gab es jüdische Gemeinden im ganzen römischen Reich. Mohammed hat sie später nicht in Israel kennen gelernt, sondern als seine Nachbarn. Insgesamt erscheint es wie ein Wunder, dass die Juden in den über 3000 Jahren wechselhafter Geschichte heute noch existieren und ihre Identität bewahrt haben.
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      Der aufgeklärte Friedrich der Große soll seinen Leibarzt gefragt haben: „Nenne mir einen Beweis dafür, dass es Gott gibt!“ Der hat geantwortet: „Die Juden, Majestät!“ (Weil es sie immer noch gibt.)

    • Peter Czeck sagt:

      👍Respekt! Manches wusste ich so nicht

  • Marco Dargel sagt:

    Zitat „Die Welt erleidet gerade zwei Kriege. In beiden sieht sich jede Seite im Recht. So verhält es sich im Konflikt zwischen Hamas und Israel und zwischen Russland und Ukraine.“

    2 Kriege für die wir uns interessieren: Es gibt ein paar mehr Konflikte, Deswegen macht ja u.a. die Südhalbkugel bei den Sanktionen gegen Russland nicht mit und hält den Westen für scheinheilig.

    Zitat „Es gibt in beiden Kriegen einen klaren Aggressor, der das Lebens- und Selbstbestimmungsrecht eines Landes bedroht und mit brutalen Mitteln vorgeht. In beiden Fällen begeht der Aggressor Massaker mit Misshandlungen und Vergewaltigungen an der Zivilbevölkerung. Damit setzen sich sowohl die Hamas als auch Russland eindeutig ins Unrecht.“

    Ich bin mir sicher, dass das alle Beteiligten machen. Was die Medien berichten, sollte man eingeschränkt glauben. Alle vergangenen Kriege zeichneten sich dadurch aus, dass die Wahrheit das erste Opfer war. Warum sollte es dieses mal anders sein?

    Wie lange der Ukraine Krieg noch dauert? Nun ich denke, dass der Westen deutlich kriegsmüder ist, als die Medien es darstellen. Zum Gewinnen bräuchte die Ukraine Luftüberlegenheit und vielleicht 5000 Panzer. Beides ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die letzte Offensive hat vermutlich sehr viel Material verbrannt. Die größte Gefahr besteht meiner Meinung nun darin, dass das ukrainische Militär abgenutzt und anschließend überrannt wird.
    Der Westen konnte schon in Afghanistan nicht gewinnen. Und die Russen sind stärker als die Taliban. Ich denke, dass die Ukraine einen sehr hohen Preis zahlen wird, weil wir keinen Frieden anstreben, bis Russland ihn diktieren wird. Mich erinnert der Ukraine Krieg sehr an das Afghanistan Abenteuer. Da waren wir ja auch die Guten, im Recht, unbesiegbar, naja, bis wir vom Gewinnen die Nase voll hatten.

    Zitat „Es ist auf jeden Fall keine Lösung, dass der „Westen“ seine Werte und seine regelbasierte Ordnung durchsetzen will und sich an beide selber oft nicht hält.“

    Das unterschreibe ich mit

    • Sadoma sagt:

      Quelle des Zitats?

      Das unterschreib ich auch mit

      • Marco Dargel sagt:

        ehm
        Vielleicht verstehe ich das nicht richtig: Aber eigentlich:

        Zitat von Zitat: „Es ist auf jeden Fall keine Lösung, dass der „Westen“ seine Werte und seine regelbasierte Ordnung durchsetzen will und sich an beide selber oft nicht hält.“

        Aries main Text oben

    • Hans Nikolaus Fellner sagt:

      Was dieses schwierige Thema angeht empfehle ich die Interviews, Schriften, Berichte und Bücher des leider verstorbenen Peter Scholl-Latour und dem Publizisten Michael Lüders

      • Aries Eeberg sagt:

        Ich erinnere mich, dass Scholl-Latour sagte: „Wenn Bush im Irak einmarschiert, wird er die Büchse der Pandora öffnen.“ … So ist es gekommen. … … eine ganze Region in Trümmern mit immer neu nachwachsenden Diktatoren und Terroristen.
        >>> P. Scholl-Latour, „Der Fluch der bösen Tat: Das Scheitern des Westens im Orient | Kriege und Konflikte im Nahen und Mittleren Osten“, 2015
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        Deshalb warnt Biden vielleicht heute die Isralis, nicht die Fehler der Amerikaner von damals zu wiederholen.
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        Der Irakkrieg war auch ganz entscheidend dafür, wie der Globale Süden den „Westen“ wahrnimmt. Die USA hatten den Irak-Krieg mit einer Lüge begonnen und nicht nur damit das Völkerrecht eklatant verletzt. …
        >>> https://www.tagesspiegel.de/internationales/ein-fatales-historisches-erbe-und-seine-folgen-fur-die-ukraine-9464894.html

        • Marco Dargel sagt:

          Das war Afghanistan auch, nur sehen wir es anders. Dort konnten ca. 80k Taliban Fighter unsere Überreste wegknallen. Darüber wird aber nicht diskutiert. Afghanistan war die größte Niederlage des Westens und wir haben es noch nicht mal kapiert. Eine Mini Armee kann den Westen besiegen. Der Westen hatte null Strukturen geschaffen in 20 Jahren, um gegen 80 k Taliban Kämpfer zu bestehen. Wir ignorieren das, aber der Rest der Welt nicht. Alle wissen, dass Stahlhelm von der Leyen die Kinder jeder Mutter abschlachten lässt, aber mit Sicherheit nie ihre Söhne in einen Krieg schickt. Wir haben in Afghanistan versagt und denken, wir haben gegen ein stärkeres Russland eine Chance? Das ist nur Medien Propaganda, nicht wirklich was wert. Die Ukraine wird eine vernichtende Niederlage des Westens werden.
          Ja ich weiß, ich wiederhole mich wieder. Aber ich wundere mich auch, warum ich alleine mit meiner Meinung bin.

          • Michael sagt:

            Du bist sicherlich nicht alleine mit Deiner Meinung, Marco.

            Die im Westen veröffentlichte Meinung ist eben eine andere, und viele im Westen glauben dieser eben.

            Afghanistan = Taliban.

            Für bestimmte Industrien war Afghanistan und der Irak (und jetzt die Ukraine) ein gigantisches Geschäft, und genau darum geht es. Nicht um Demokratie-Geschwurbel. Echte Demokraten lehnen Kriegsgeschrei ab!

            „7 countries in 5 years“ – Wesley Clark.

            Wir werden Zeitzeugen einer neuen Weltordnung.

            Btw: ich bezweifle, dass der offenbar demente Biden irgendetwas eigenständig entscheiden darf.