von Volker Schilling
Welche Themen waren diese Woche am Finanzmarkt relevant?
- Auffälligkeiten
- Ausfälligkeiten
- Anfälligkeiten
Auffälligkeiten
Die Bilanz des ersten Halbjahres 2022 fällt an den Kapitalmärkten ernüchternd aus. Egal ob Aktien, Anleihen, Gold, Kryptos oder alternative Anlageklassen: Nahezu alles im roten Bereich. Auffällig ist der Gleichlauf aller Anlageklassen mit hohen Korrelationen. Global betrachtet ist es das schlechteste erste Halbjahr seit 52 Jahren. Und noch etwas fällt dabei auf: Trotz der desaströsen Entwicklung und miserablen Stimmung ist bisher keine Panik aufgekommen. Einschlägige Parameter wie VDAX und VIX lassen den angstgetriebenen Sell-off noch missen. Es stellt sich daher für alle die entscheidende Frage: Kommt der Ausverkauf erst noch oder behalten alle einen kühlen Kopf? Definitionsgemäß kann man zumindest attestieren, dass es jetzt einige Bärenmärkte gibt, die mehr als 20% verloren haben. An der Spitze stehen dabei die Technologie-Indices wie Nasdaq Composite oder Nasdaq 100. Auffällig sind aber auch die Bestperformer im ersten Halbjahr: Natural Gas mit 80% Zuwachs oder Brent Öl mit über 50% Wertentwicklung. Kurzum: Energie hui, Technologie pfui!
Ausfälligkeiten
Der Anstieg bei den Energieträgern kommt ja nicht von ungefähr. Russland als größter Lieferant von Gas ist die „persona non grata“ der Konferenz- und Verhandlungstische geworden. Egal ob G7, NATO oder das Notenbankertreffen diese Woche, überall spricht man über, aber nicht mit Russland. Der Ukraine-Krieg hat Russland mehr isoliert als dies in den heißesten Phasen des „Kalten Krieges“ je der Fall war. Und die viel beschworene Vertragstreue russischer Energielieferungen auch über Konflikte hinweg, hat sich aktuell nicht bestätigt. Russland wurde wirtschaftlich und monetär zumindest vom westlichen Finanzsystem isoliert und betreibt daher umgekehrt die Einstellung von Verpflichtungen. Dazu gehört diese Woche auch die Zinszahlungen von russischen Anleihen in US-Dollar. Da man von russischer Seite keinen Zugriff mehr auf westliche Devisen wie den US-Dollar hat, kann man auch seine Rechnungen nicht mehr in US-Dollar begleichen. Man sitzt zwar auf einem Berg von Gold und Rubel, wäre damit also faktisch zahlungsfähig, aber da man nicht konvertieren kann, ist man zahlungsausfällig. Wer Zinsen und Schulden nicht zahlt, gilt damit als insolvent. Kurios diese Ausfälligkeit, die nicht einmal von den Ratingagenturen ausgerufen werden durfte, da diese aufgrund Sanktionen die Bonität nicht mehr bewerten dürfen, sondern die US-Regierung die Pleite Russlands verkündete. Damit stellt sich die Frage, wer hier wem gegenüber ausfällig wurde.
Anfälligkeiten
Der neue Ost-West-Ost-Konflikt mit Russland und China zeigt bisher nur eines: Die globale Wirtschaft ist durch die Globalisierung anfällig geworden. Anfällig, da eine jahrelange Entspannungspolitik und ihre Friedensprämie dafür gesorgt haben, dass die Wirtschaft keine Redundanzen mehr vorhält. Der berühmte Sack Reis, der am anderen Ende der Welt umfällt, ist eben nicht mehr Synonym für ein unwichtiges Ereignis, sondern unmittelbare Bedrohung für die Versorgung am gegenüberliegenden Ende der Welt. Fällt Gas aus, fällt die Industrie aus (Stichwort BASF), fallen die Versorger aus (Stichwort Uniper), fällt die Heizung aus (Stichwort Konsument), fällt die Kaufkraft aus (Stichwort Rezession), fällt der Wohlstand aus (Stichwort Sparer und Anleger). Anfällig ist sie geworden, unsere globale Wirtschaft. Anfällig damit auch die Stimmung an den Börsen, die zwischen Hoffnung und Weltuntergang balanciert.
Ihr Volker Schilling
@ Volker
“ … behalten alle einen kühlen Kopf? “
Die, die mit dem kühlen Kopf, haben in wahnsinnig vielen ihrer Einzelaktien bis dato roundabout 50% vom Hoch verloeren …
“ … die Stimmung an den Börsen, die zwischen Hoffnung und Weltuntergang balanciert … “
In den Indizes sehen wir im Zwischentief mickrige 20% Minus von den ATHs und da soll angeblich eine Weltuntergangsstimmung an den Boersen vorhanden sein … das passt nicht zusammen.
Dieses doch recht ueberschaubare Minus laesst Optimismus erkennen.Selenskyj hat angekuendigt ab August zu verhandeln.Kriegsende ist bereits eingepreist.Diktatfrieden,Sanktionen bleiben.Auch das ist eingepreist.
FED erhoeht die Zinsen,Inflation halbiert sich im kommenden Jahr,eingepreist.
Nicht eingepreist sind zwei Dinge, die der Markt erst sehen will, bevor er faellt :
1) . Dreht Putin dden Gashahn weiter runter, unter die 40 Prozent
2) . Rezession in 2023, ja oder nein
Der Eintritt eines von beiden genuegt, allerspaetestens danach realisieren die Ersten dieser Markt ist zu hoch bewertet.
„Die, die mit dem kühlen Kopf, haben in wahnsinnig vielen ihrer Einzelaktien bis dato roundabout 50% vom Hoch verloeren …“
Was man dabei aber berücksichtigen sollte, ist: Wieviel Gewinn hätten diese Leute vorher gemacht, wenn sie diesen kühlen Kopf nicht gehabt hätten? Leute ohne kühlen Kopf verpassen vermutlich nicht nur Verluste, sondern auch Gewinne.
@ Raimund
Gewinne sehen relativ stets besser aus als Verluste, weil,
um diese 50% wieder zurueck zu erhalten, mussen dieselben Positionen um 100% steigen.
Sollten sich die Werte allerdings nochmals halbieren,was angesichts klarer Abwaertstrends durchaus eher eintreten sollte, dann muessen die schon 300% steigen … sich vervierfachen …
Der kühle Kopf besteht jetzt darin, sich nicht von halben Preisen blenden zu lassen. Waren die Maerkte beim ATH ueberteuert? Und – schau einmal die Charts an, all diese unnatuerlich steilen Gipfel sind erst zum Teil abgetragen.
Apropos … das mit dem kühlen Kopf ist doch nur das Narrativ fuer die Privatanleger
Wenn die Fondsmanager so agieren wuerden, dann haetten wir bald nur noch Asokas …
Aber – man muss ja nicht jeden Scheiss mitmachen
Geduld ist eine Tugend
Mir geht es darum, dass man bei Deiner Verlustrechnung nicht die vorangegangenen Gewinne vernachlässigen sollte. Das ist alles. Unser Depot z.B. hat ebenfalls an Wert eingebüßt, trotzdem sind wir mit den meisten Aktien weiterhin im Plus.
„Wenn die Fondsmanager so agieren wuerden, dann haetten wir bald nur noch Asokas …“
Interessanterweise werde ich nächste Woche einen Fondsvertreter interviewen, der genau dieses „Im-Markt-Bleiben“ propagiert. Dazu scheint es auch Untersuchungen zu geben. Ich werde das Interview spätestens am Freitag hier im Blog verlinken.
Danke für den angekündigten Link!
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Ich bin übrigens erst 10% im Minus, obwohl ich zu 87% Aktien halte. Zuletzt sind einige Verteidigungslinien (Value, Minen) auch unter Wasser gezogen worden. … Aber sie können schwimmen!
“ Ich bin übrigens erst 10% im Minus, obwohl ich zu 87% Aktien halte “
Ja,ja Ariel, so ist das mit denTransaktionskosten, das summiert sich bei permanenten Umschichtungen, vor allem so man dabei in homöopathischen Dosen operiert …
und jetzt, jetzt ist das Mittagessen weg …
@ Arilel
… Du denkst so, jetzt ist das Mittagessen weg …
M.E. eine sehr gute Idee Raimund. Ansonsten liebe Floristen bitte „kühlen Kopf bewahren“ …….
Hier der versprochene Link zum Interview:
https://www.n-tv.de/mediathek/sendungen/Fonds/Aussteigen-oder-aussitzen-article23445191.html
Zur selben Thematik hat gerade Gerd Kommer differenzierter und überzeugender geschrieben – mit umfangreicher Literaturliste.
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https://gerd-kommer.de/downside-hedging/?utm_source=Newsletter+von+Gerd+Kommer&utm_campaign=5b78ca90ad-EMAIL_CAMPAIGN_2022_05_25_11_48&utm_medium=email&utm_term=0_c41ccbc078-5b78ca90ad-446088512
„Unser Depot z.B. hat ebenfalls an Wert eingebüßt, trotzdem sind wir mit den meisten Aktien weiterhin im Plus.“
Mich überrascht, dass ihr im WWD offenbar nicht abgesichert habt. Im November hast auch Du, Raimund, auf die Bilanzsummenreduktion der FED hingewiesen, mit den zu erwartenden Konsequenzen der Aktienmärkte.
Möchten Fondmanager „nicht aus der Reihe tanzen“?
Vor ein paar Jahren habt ihr eine Aktion gebracht „Alles muss raus bis auf Gold“, die eine gewisse mediale Aufmerksamkeit bekommen hat. Warum nicht diesmal eine ähnliche Aktion?
Wir sind mit der Zeit gelassener geworden, das ist alles. Außer der „medialen Aufmerksamkeit“ und einer flacheren Performance-Kurve haben die Aktionen auch nicht allzu viel gebracht.
Außerdem haben wir zurzeit gar nicht die Manpower, um solche Aktionen ordnungsgemäß zu buchen. Das läuft bei uns ja alles händisch.
Wöchentliche Sonntagslektüre, wen es interessiert: https://www.goldseiten.de/artikel/544127–Defla-MAXX—Unbelehrbar.html
Hi Michael,
ich hab’s nich gelesen, sorry, aber ich bin ganz allgemein der Auffassung, dass Gold in Phasen steigender Zinsen und eines vielleicht dauerhaft hoeheren Inflationstableaus gerade nich so erste Wahl is, vorsichtig ausgedrueckt …
un Gold is ia nich soooo selten und man braucht es nich unbedingt … das is im weitesten Sinne so aehnlich wie mit den Coins, es kommt halt darauf an, was die Leut (Notenbanken) fuer was zahlen … das is mal mehr und mal weniger … es kommt hat immer auf den Preis an un bei 1700, 1800 da is das sicher nix fuer die Rente … in den neunziger Jahren war das mal bei 200 …
trotzdem Danke fuer Deine Muehe, wer vieles bringt, der wird manchem etwas bringen und vielleicht wittert mancher User ja seine Chance bei 1700, 1800 …
Der Artikel handelt nur rudimentär von Gold…