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Greiffbar – Nicht ohne

12. September 2025
Volker Schilling
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von Volker Schilling

Welche Themen waren diese Woche am Finanzmarkt relevant?

Nicht untypisch

Die deutsche Sprache hat ihre Eigenheiten, und eine besonders reizvolle ist die Litotes. Dabei handelt es sich um die doppelte Verneinung, die auf den ersten Blick wie eine Abschwächung wirkt, in Wahrheit jedoch eine Verstärkung darstellt. Wer sagt, etwas sei nicht unklug, will damit eigentlich betonen, dass es ziemlich klug ist. Wer etwas als nicht unbedeutend bezeichnet, hebt hervor, dass es im Kern sehr wichtig ist. Nicht untypisch also, dass Frankreich wieder einmal einen Regierungswechsel erlebt. Nach der verlorenen Vertrauensabstimmung muss Premierminister François Bayrou seinen Platz räumen. Emmanuel Macron ernennt mit Sébastien Lecornu bereits den fünften Premierminister in nur zwei Jahren. Es ist fast ein Ritual geworden, dass der Élysée-Palast die Regierung umbaut, sobald die innenpolitische Lage brenzlig wird. Stabilität strahlt das nicht aus, und die Märkte nehmen die Rochade in Paris zunehmend als Bedrohung wahr. Für Investoren bedeutet das: Frankreich bleibt ein politisch unruhiges Pflaster, in dem Reformideen schnell verkündet und ebenso schnell wieder verworfen werden. Dass die Börsen dennoch erstaunlich gelassen reagieren, ist nicht untypisch für ein Land, das seit Jahrzehnten mit seinen eigenen Paradoxien lebt. Die fehlende Anerkennung der finanzpolitischen Realitäten und Reformverweigerung der Franzosen führt zu einer doppelten Verneinung für Lösungen.

Nicht uninteressant

Von München bis New York stapeln sich die Schlagzeilen, und sie sind nicht uninteressant für jeden, der verstehen will, wie sich Wirtschaft und Märkte in der Herbstauslage präsentieren. Auf der IAA in München wird der Druck auf die deutschen Autobauer immer größer. Der Markt verlangt endlich Elektroautos, die preislich mit chinesischen Modellen mithalten können. Was Volkswagen, BMW und Mercedes in den Messehallen zeigen, wirkt eher wie ein Versuch als wie eine Vision. Apple wiederum zeigt, dass die Kursentwicklung der Aktie genauso innovativ ist, wie das neue iPhone: Überhaupt gar nicht. Die Präsentation des neuen iPhone blieb hinter den Erwartungen zurück, die Aktie verlor drei Prozent. Die Innovationskraft, die einst Begeisterungsstürme auslöste, scheint in Cupertino verschwunden zu sein. Auf der anderen Seite der Innovationsmedaille steht Klarna: Das IPO war 25-fach überzeichnet, der Ausgabepreis lag über den Erwartungen, und der erste Kurs schoss gleich noch weiter nach oben. Zwar kühlte sich die Euphorie im Handelsverlauf ab, doch die Bewertung von rund 15 Milliarden Dollar zeigt, wie groß das Vertrauen in das Geschäftsmodell noch immer ist. Dazu kommen weitere Schwergewichte: Oracle steigt um mehr als 40 Prozent, nachdem Larry Ellison für das Cloudgeschäft ein aggressives Wachstumsziel ausgegeben hat. Zeitweise reichte das sogar aus, um Ellison an die Spitze der reichsten Menschen der Welt zu hieven. All diese Nachrichten sind für Anleger nicht uninteressant, denn sie spiegeln die Spannbreite eines Marktes, der sich weiterhin äußerst robust präsentiert und sich anschickt neue Bestmarken zu setzen.

Nicht unbedeutend

Auch die großen Linien in der Makroökonomie sind diese Woche nicht unbedeutend. In den USA überraschten die Produzentenpreise mit einem Rückgang um 0,1 Prozent, während die Erwartungen bei einem deutlichen Anstieg lagen. Die Verbraucherpreise mit 2,9 Prozent etwas höher, aber immer noch im erwarteten Bereich, der der Federal Reserve einen Spagat abverlangt. In Europa richtete sich der Blick auf die EZB, die vorerst stillhält und keine Zinsen verändert. Gleichzeitig bleibt die Inflation in Deutschland mit 2,2 Prozent hartnäckig stabil, weder Rückgang noch neuer Aufwärtsdruck, sondern ein beharrliches Verharren auf mittlerem Niveau. Anleger dürfen sich von der scheinbaren Unruhe nicht täuschen lassen. Gerade weil die Finanzmärkte nicht gerne gelassen reagieren, sind die Ereignisse im Hintergrund nicht unbedeutend. Alles in allem also eine Woche, die nicht von schlechten Eltern war und deren Nachhall an den Märkten die Anleger nicht unglücklich gemacht hat.

 

Ihr Volker Schilling

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Kommentare

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  • Michael sagt:

    „Möglicherweise hat er nicht ganz unrecht damit.“

    Medial werden Behauptungen a la „USA vor wirtschaftlichem Herzinfarkt“ gespielt.
    Erinnert ihr euch an die Geschichte „Europa vor dem Comeback“ Anfang des Jahres?

    Beides geht an den Realitäten und der Entwicklung komplett vorbei.

    Auch in Frankreich werden die Arbeitnehmer und Steuerzahler drangsaliert, während andere die Sozialsysteme ausnutzen und schröpfen.

    Der Kapitalstock wandert ab, die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit Westeuropas ist nicht mehr gegeben. Und genau das ist Grundlage für Vertrauen.

    Die Finanzsysteme werden früher oder später ihr finales Urteil über Westeuropa fällen – es ist nur noch eine Frage der Zeit.

    Den Regierenden in Frankreich fällt nichts anderes ein, als ausufernde Schulden aufzunehmen und der führenden Oppositionspartei mit medialen Diffamierungen und Missbrauch des Justizwesens von der Regierungsbildung und somit dem Willen des französischen Volkes abzuhalten.

    Gott sei Dank, Gott sei Dank hat diese Vorgehensweise in den USA nicht zum Erfolg geführt.

    Dort wurde erneut ein Mord gegen einen konservativen Politiker durchgeführt.

    Aktuell: selbes Schema in Brasilien, Missbrauch der Justiz. Für die hiesigen Medien kein Problem…

    Was hat Thomas Barnett in seinen Büchern geschrieben?