von Volker Schilling
Welche Themen waren diese Woche am Finanzmarkt relevant?
- tot
- untot
- hirntot
tot
Ich befürchte diese Ausgabe wird eine ziemlich morbide Angelegenheit. Vielleicht sollte ich einen Warnhinweis anbringen, der Zeitgeist verlangt das, da man scheinbar kaum noch jemandem etwas zumuten darf. Es geht um den Boandlkramer, den Gevatter, den Sensenmann, der diese Woche den Boxer und Frauenversteher René Weller ebenso heimgesucht hat, wie Putins Koch Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin. Letzterer soll bei einem Flugzeugabschuss – Verzeihung -absturz – ums Leben gekommen sein. Ob dies eine gezielte Beseitigungs- oder eine gekonnte Verschleierungsaktion war, lässt sich noch nicht beantworten. Prigoschin wurde in der Vergangenheit schon öfters für tot erklärt, um dann wieder in Erscheinung zu treten. Bei René Weller dagegen herrscht Gewissheit, der Mann mit dem legendären Satz „Wo ich bin, ist oben und falls ich mal unten bin, ist unten oben“ verstarb zuhause nach einer Demenzerkrankung. Unklar ist indessen, ob er jetzt oben oder unten gelandet ist. Kommen wir zu den Lebenden:
untot
Obwohl? Wenn man einen Blick auf den aktuellen US-Wahlkampf wirft, dann muss man leider attestieren, dass die mutmaßlichen Spitzenkandidaten für das Oval Office mehr scheintot als lebendig sind. Ein 80-jähriger Amtsinhaber, dessen sprachliche und motorische Aussetzer Anlass zur Besorgnis geben, trifft auf einen 77-jährigen Ex-Präsidenten, der seine notorischen Lügen nur noch durch seine Entgleisungen toppt. Hat doch diese Woche tatsächlich einer der republikanischen Kandidaten den Vorschlag gemacht, das Wahlalter in den USA auf 25 Jahre hoch zu setzen, da die Jungen zu progressiv und zu demokratisch wählen würden. Das zeugt von einem tiefen Demokratieverständnis. Ich hätte da einen anderen Vorschlag: Wie wäre es, wenn die Amerikaner das maximale Alter für einen Präsidentschaftskandidaten runter setzen würden? So spart man sich künftig ein Duell der Untoten, die mehr ihre eigene Lebensleistung krönen wollen und schafft mehr Raum für die Generation dahinter, die vielleicht wieder versteht, dass es nur miteinander und nicht gegeneinander funktioniert. Ich befürchte aber, dass man solche Vorschläge schnell mundtot macht.
hirntot
Manch einem westlichen Bündnis wurde ja in der Vergangenheit bereits der Hirntot attestiert, ganz anders hier: Die BRICS-Staaten tagten in dieser Woche in Südafrika und sind sich einig, das Bündnis vital zu halten. Aus BRICS wird BRICSplus: Saudi-Arabien, der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Argentinien, Ägypten und Äthiopien stoßen ab 2024 dazu. Geopolitisch und wirtschaftlich sicher ein weiterer Schritt mit Wirkung. Aber auch die Unterschiede des Fortschritts sind zutage getreten: Symbolisch diese Woche am besten verkörpert in den Mondmissionen der beiden Nationen Russland und Indien. Bruch- und Bilderbuchlandung liegen manchmal eben nahe beieinander. BRICS an der Börse war bisher auch ein Rohrkrepierer, womit wir wieder beim Dahinscheiden wären. Ich scheide jetzt ebenfalls dahin, aber nur in den Urlaub. Nach derart schwermütigem Stoff brauche ich erst einmal eine Auszeit und bin in der übernächsten Woche wieder für Sie da. Wenn ich wieder aus meinem Urlaubsloch herausgekrochen bin, erzähle ich Ihnen dann auch, was in einem anderen bekannten Loch diese Woche noch passiert ist. Die Rede ist von Jackson Hole, dort tagen gerade die internationalen Notenbanker, um über die „strukturellen Veränderungen in der Weltwirtschaft“ zu sprechen.
Ihr Volker Schilling
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Ein großer Schritt Richtung „Weltfrieden und Wohlstand ab 2025“ ist die BRICS-Erweiterung!
„BRICSplus: Saudi-Arabien, der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Argentinien, Ägypten und Äthiopien stoßen ab 2024 dazu. Geopolitisch und wirtschaftlich sicher ein weiterer Schritt mit Wirkung“
Grandiose Diplomatie, mit positiver Wirkung!
Wer hätte es für möglich gehalten, den Iran und Saudi-Arabien gemeinsam miteinander in eine Organisation einzubinden?
Ein Lob an die Präsidenten Xi und Putin – die für Stabilität und Frieden in dieser Region stehen. (Andere Länder haben via Möchtegern-Regimechangepolitik Tod und Verderben gebracht…millionenfach!!!)
Mit Ägypten und Äthiopien werden zwei Länder eingebunden, die ebenfalls ihre Reibereien haben/hatten. Wirklich eine große Kunst der Diplomatie, diese durchdachte und zielgerichtete Erweiterung.
Die Westpresse würdigt diesen Schritt nicht – verständlich. Denn dieser Schritt verhindert künftige Kriege in dieser Region. Zig Millionen Menschen können künftig in Sicherheit leben, ohne Angst.
Hallo Michael,
ja, da hast du Recht. Ich finde die Erweiterung auch sehr bemerkenswert. Auf den ersten Blick eine wilde Mischung, aber geopolitisch, wie bereits formuliert mit Signalwirkung. Ich kann deine Ausführungen daher unterschreiben.
Allerdings bin ich noch nicht ganz überzeugt von der Leistungsfähigkeit des erweiterten Clubs. Alleine eine Aufnahme in eine Organisation bewirkt noch keine Befriedung und Wohlstand. Es wird sich zeigen, ob man es schafft gemeinsame Interessen so zu formulieren und umzusetzen, dass es befriedend wirkt. Eine Chance ist es wert und daher tatsächlich erst einmal ein diplomatischer Coup.
Was ich mich etwas ironisch frage: Wie gibt man einer Organisation aus Demokratien, Monarchien und Despoten Regeln, an die sich alle halten? Stimmt man demokratische ab? Oder kauft man sich Stimmrechte? Oder gilt das Recht des Stärkeren? Gibt es Arbeitsgruppen oder wird einfach bestochen? Ich bin gespannt, ob es BRICSplus schafft sich zu organisieren. Auf alle Fälle muss man diese Entwicklung genau im Auge behalten.
LG Volker
Zitat“ Stimmt man demokratische ab? Oder kauft man sich Stimmrechte? “
Naja, dafür mischen bei uns die Amis mit: Da gäbe es noch Veto oder „interessiert mich nicht“.
Ist denn so etwas wie eine Geschäftsordnung für die BRICSplus bekannt? Gibt es dort evtl. auch „Veto-Rechte“ für die Originalstaaten? Wer weiß mehr?
Also, unser Wertebündnis ist da ganz klar, Volker. Es gibt Regeln, auf die sich alle geeinigt haben. Nur die USA müssen sich nicht daran halten und erscheinen nicht vor den Schiedsgerichten. Und, wenn die multinationalen Organisationen ungemütlich werden, entziehen sie ihnen das Geld. … So könnten die BRICS+ es doch auch machen.
Mal ganz ernsthaft: Weiß jemand, wie die Organsisation der BRICSplus geregelt ist? Gibt es eine Geschäftsordnung? Gibt es Vetorrechte? Gibt es Gremien etc. ?
Ich denke, da gibt es erst einmal Absichtserklärungen mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen, wie die Sache dann funktionieren soll. Aber dass sie sich überhaupt getroffen haben und eine gemeinsame Organisation ins Auge gefasst haben, halte ich für eine weltbewegende Nachricht. Immerhin ist das ganze ohne Zutun der bisher etablierten Mächte geschehen.
Das ist nur sekundär. Übersetzt heißt es, Du hast auch keinen Plan. Damit lenkst Du geschickt ab. Aber nicht bei mir. Du hast einfach was in den Raum gestellt und hast keine Ahnung. Willkommen im Club der Profies
Schaun mer mal wie sich die Geopolitik entwickeln wird. BRICS+ hat natürlich noch einen weiten Weg vor sich, und dieser Club ist eine faszinierende Mischung… 😉
Mich freut es jedenfalls sehr für die Menschen im Nahen Osten, dass diese initialen Strukturen die Kriegsgefahr (!) deutlich reduzieren (Saudi-Arabien und Iran).
Assad ist bspw wieder im Kreise der Araber aufgenommen – gut für die Menschen in Syrien und schlecht für den IS (und seinen Sponsoren im Hintergrund…)
Dass die Regierungsformen und Gesellschaftsstrukturen in diesen Region für unsere Kultur nicht nachahmenswert sind steht außer Frage. Genau deshalb gibt es seit Jahrtausenden Staatsgrenzen, die dafür sorgen, dass innerhalb einer Staatsgrenze das Wertemodell der Mehrheitsbevölkerung praktiziert und beibehalten (!) wird…
Weiß jemand etwas über Apollo Global Management, ein großer Private Equity Investor?