von Volker Schilling
Welche Themen waren diese Woche am Finanzmarkt relevant?
- Abgetaucht
- Untergetaucht
- Aufgetaucht
Abgetaucht
Diese Woche begeben wir uns auf Tauchstation: In die Untiefen des Zynismus sowie finanzieller Unterwasserphasen. Das tragische Unglück des Mini-U-Bootes Titan, bei dem diese Woche 5 Menschen ums Leben kamen, ist schrecklich. Die Tatsache, dass es sich an Bord um Millionäre handelt, die viel Geld dafür hingelegt haben, aus Freude an besonderen Erlebnissen zum Wrack der Titanic abzutauchen, setzte eine Rettungsaktion frei, die mehrere Flugzeuge, Schiffe, Tiefsee-U-Boote und eine Schar an Menschen und Material benötigte. Die Berichterstattung dazu war gespickt mit ständigen Wasserstandsmeldungen. Der Zynismus? Für die mehr als 27.000 ertrunkenen Menschen im Mittelmeer, die keine 250.000 Dollar für eine Überfahrt bezahlten, wurden keine Rettungsschiffe, Helikopter, Flugzeuge mit Sonar und Radar oder Tiefseeboote entsandt. Für diese Menschen gab es keine Aufmerksamkeit und keinen Willen für eine bedingungslose Rettung. Diese Menschen haben in der Berichterstattung nicht einmal Namen, geschweige denn eine Aufarbeitung, wie es zu diesen Unglücken kommen konnte. Diese Menschen sind auch im öffentlichen Bewusstsein inzwischen wortwörtlich abgetaucht.
Untergetaucht
Untergetaucht sind diese Woche auch die Börsen. Nachdem US-Notenbankchef und Zinsnavigator Jerome Powell im US-Kongress Rede und Antwort stand, ist klar: Der Steuermann der Geldpolitik wird seinen Kurs vorerst nicht verändern und an weiteren Zinsanstiegen festhalten. Und wer in seinem Periskop schon die ersten Zinssenkungen kommen sah, erteilte er eine Abfuhr. Captain Powell bekämpft weiter den weißen Wal Moby Inflation Dick und die professionellen Investoren sehen genau darin die Gefahr eines leck schlagenden Wirtschaftsdampfers USA. Aber die Erstanträge auf Arbeitslosengeld in den USA und die zuletzt wieder robusten Immobilienpreise geben Captain Jerome Sparrow recht, dass die Gefahr eines Kollisionskurses auf hoher See noch überschaubar ist. Als Leuchtturm der Geldwertstabilität lässt er daher die Zinslampe noch stärker leuchten als bisher. Richten Sie sich auf weitere Zinserhöhungen im Juli ein. Und dass die Börsen in dieser Woche eine kurze Tauchphase einlegen, ist weder beunruhigend noch ein Zeichen, dass den Anlegern der Atem ausgeht.
Aufgetaucht
Aus den Tiefen der Unterwasserphase ist diese Woche der Bitcoin aufgetaucht und wieder über die Marke von 30.000 US-Dollar gestiegen. Der Anstieg wurde getragen von traditionellen Finanzhäusern wie Blackrock, Fidelity, Schwab oder auch die Deutsche Bank, deren Pläne zu Krypto ETFs oder Kryptobörsen in der Öffentlichkeit oder beim Regulator aufgetaucht sind. Trotz anhaltender Diskussion zur stärkeren Regulierung in den USA, gewinnt der Bitcoin wieder an Attraktivität und hisst die Segel, um weitere (See)meilensteine anzugehen. Dabei entert er immer stärker die analoge Finanzwelt, die die Welle ebenfalls reiten will. So könnten nach den Spekulations-Piraten und den Social-Media-Freibeutern jetzt auch die Bankbeamten Laseraugen bekommen, wenn sie auf die Entwicklung des Bitcoins blicken. Ich blicke erst einmal auf die nächste Woche und werde wie gewohnt auch dann wieder in Ihrem Postfach auftauchen. Lassen Sie sich bis dahin nicht unterkriegen.
Ihr Volker Schilling
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Gerd Kommer hat einen neuen ETF auf einen von ihm kreierte Weltindex aufgelegt. Das ist etwas wirklich Neues, weil es die Börsen der Welt nach BIP + Marktkapitalisierung abbildet.
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Außerdem will er dort Werte nach Faktorgesichtspunkten aussuchen. … Ob das sinnvoll ist, wenn man sowieso die ganze Welt-AG abbilden will? Dann hat man doch schon alle Faktoren dabei.
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Vielleicht lohnt es sich, dazu einen Podcast oder ein Video zu machen. Kommer könnte sein Konzept erklären und auch auf kritische Fragen antworten.
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Zur Info: https://gerd-kommer.de/etf/
Danke für den Vorschlag, aber für einen Podcast halte ich das Thema nicht für geeignet. Erscheint mir zu kleinteilig. Es sei denn, Du überzeugst mich noch …
Ja, die Fragestellung ist etwas speziell.
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Dennoch kann es auch einen einfachen Anleger, der auf den MSCI-World setzt, umtreiben, ob es sinnvoll ist, zu 60% in den USA investiert zu sein. Beim ACWI ist es auch nicht viel anders. Alternativ könnte man ja auch Regionen nach BIP gewichten. Oder man könnte equal-weight investieren, um Klumpenrisiken zu vermeiden. …. Ich persönlich glaube allerdings nicht, dass auf diesen Wegen ein Mehrwert zu erzielen ist.
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Das Thema „Klumpenrisiko“ ist auf jeden Fall etwas für den Podcast, wo es ja um die Basics geht.
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Was mich interessiert: Wie will man überhaupt sinnvoll BIP-gewichtet investieren? Viele der aufstrebenden Länder, die heute fast 50% des Welt-BIP ausmachen, haben keine funktionierenden Kapitalmärkte. Auch sind wesentliche Teile der Wirtschaft dort staatlich oder in Privathand.
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Faktorgewichtung halte ich nicht für sinnvoll, wenn man sowieso alles abdeckt. Auch stellt sich die Frage, ob man überhaupt einen Mehrwert erzielt, wenn man alle Faktoren gleichzeitig hält. Und falls es sich lohnen sollte, machen das bestimmt bald viele und der Effekt wird wegarbitriert.
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Ich wüsste auch gerne, wie Kommer die „Looser“ bei einem Index-Ansatz ausschließen will.
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Was ich beim Kommer-Fonds gut finde: Er investiert direkt in seine 2000 Aktien und macht keinen Dach-Fonds mit ETFs. So verfährt auch ARERO. Die haben allerdings die DWS mit ihren Fähigkeiten als ausführende Fondsgesellschaft.
Hmm … Klumpenrisiko in Bezug auf die USA bedeutet für mich: Ohne den Leitmarkt USA läuft nichts an den Weltbörsen, zumindest langfristig nicht. Deshalb werte ich das Risiko in diesem Fall eher als Klumpenchance. Der MSCI trägt dieser Chance automatisch Rechnung. Warum sollten wir die geneigten Podcast-Hörer also auf ein „Problem“ hinweisen, dass es aus meiner Sicht gar nicht gibt?
Andere Klumpenrisiken gibt es sicherlich, aber diese vermeidet man mit dem MSCI World ja ebenfalls automatisch. Ich sehe also nach wie vor keinen Bedarf, mit Herrn Kommer zu podcasten.
Zumal ich noch ungute Erinnerungen an unseren Podcast mit Andreas Beck habe – sicherlich ein kluger Kopf, aber er hat nach meinem Empfinden das Thema Anleihen zu kompliziert und zu langatmig rübergebracht.
Alles klar, war ja nur eine Idee.
Schade, ich hatte mir von Dir schlagende Gegenargumente erhofft 😉
Es geht um nicht weniger als um die neue multipolare Weltordnung und, wie man sich wirtschaftlich darauf einstellt. Die BIP-gewichteten Konzepte sind da wahrscheinlich bisher noch nicht die beste Lösung. Kommer versucht einen Mix aus verschiedenen Ansätzen, um die Entwicklungen einzufangen.
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Aber die Sache steht auf der Tagesordnungen. Ich erinnere an Macron, der eine Initiative unternommen hat, die Welt-Finanzinstitutionen neu zu konstruieren. Er will die Staaten des globalen Südens verantwortlich mit einbinden. Das ist eine gute Idee. Bisher hat man Macron allerdings eher belächelt wie schon vorher bei anderen seiner Initiativen. Der globale Norden kann auch warten, bis die Ereignisse ihn überrollen. Jetzt können wir noch mitgestalten.
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Raimund, du kannst natürlich die Haltung eines Vollblut-Börsianers wie Ken Fisher einnehmen. (Not in the next 30 months.) Dann muss man auf Gerd Kommer nicht reagieren.
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Aber die Show ist schon gelaufen. Kommer war vor zwei Tagen bei Mario Lochner. (bisher 45.000 Aufrufe)
„Multipolare Weltordnung“ ist ja schön und gut. Die entscheidende Frage in unserem Zusammenhang ist aber, ob sich in Zukunft etwas an der Maxime ändert, dass ohne den Leitmarkt USA langfristig auch an den anderen Weltbörsen nichts läuft.
Ändert sich daran etwas, müssten wir uns umstellen. Wenn nicht, nicht.
Du weißt ja, dass ich mich gerne auf das Wesentliche konzentriere, ohne mich durch die vielen Einzelteile verwirren zu lassen 🙂
Aries, zu viel Theorie, die im Endeffekt keine nennenswerten Resultate hervorbringen wird.
Im Endeffekt gilt es, Aktien von hervorragenden Unternehmen ins Depot zu holen bzw zu halten, breit zu streuen und den Faktor Geld – konkret die Notenbankpolitik – zu beachten.
https://www.der-postillon.com/2023/06/russland-nato.html?m=1
Dann senden Gerd Kommer und ich mal liebe Grüße, denn wir haben uns beide gestern Abend auf einem Forum zum Thema „Finfluencer“ dazu augetauscht. Und BIP-gewichtete Ansätze, bspw. auf den MSCI World gibt es schon und ob die Faktorengesichtspunkte greifen würde ich gerne erstmal sehen. Unbenommen davon ist Gerd Kommer immer ein guter und spannender Diskutant, der uns mit Sicherheit zur Verfügung steht, wenn wir ihn mal einladen.
Ich hatte jetzt an meinen ntv-Wirtschaftspodcast gedacht. Dafür sind die Stichworte „BIP-gewichtet“ oder „Faktorgesichtspunkte“ viel zu speziell. Wir richten uns dort nicht an ein Fachpublikum.
Frisurtechnisch passt ihr schon mal gut zusammen 🙂
M.E. gibt kein Entweder/Oder….Auf einer Zeitachse ist beides möglich.