von Volker Schilling
Welche Themen waren diese Woche am Finanzmarkt relevant?
- Milch
- Milchmädchen
- Milchmädchenrechnung
Milch
Der Milchpreis ist wieder einmal im Sinkflug. Aldi, Lidl & Co. senken den Preis des Gemelks unter einen Euro pro Liter. Was den Bauern missfällt, regt die Konsumenten an. Wenn es also nach dem Milchpreis geht, dann kommen auch bei Nahrungsmitteln die Preise endlich zurück. Dringend notwendig, wenn man sieht, dass die diese Woche gemeldeten Inflationszahlen in Europa bei 6,1% und in den USA bei 4,0% im Wesentlichen noch durch die Nahrungsmittelpreise getrieben waren. Milch ist per Milchgesetz „das durch regelmäßiges Ausmelken des Euters gewonnene und gründlich durchmischte Gemelk von Kühen“. Und ausgemolken fühlen sich inzwischen auch die deutschen Sparer, die bei den aktuellen Zinsen ihren Kaufkraftverlust nicht kompensieren können. Obwohl die US-Notenbank wie von mir erwartet in dieser Woche ihre Zinspause verkündete, erhält man dort bei einem Zinsniveau von 5% zumindest sein Realvermögen. In Europa dagegen leiden die meisten Sparer weiter unter einer Nominalillusion. Bei einem Zinsniveau von 3,75% und der Inflation jenseits von 6% ist die Milch real schon längst sauer geworden. Doch zum Glück gibt es unser Milchmädchen bei der Europäischen Notenbank:
Milchmädchen
Christine Lagarde hat diese Woche die Lücke weiter geschlossen und den Leitzins wie erwartet um weitere 0,25% angehoben. 4% gibt es jetzt wieder in Europa und sollten wir es damit schaffen, auch unsere Inflation auf US-Niveau zu drücken, dann wäre es zumindest gelungen, real weiter keine Milch zu verschütten. Das einzig wirklich verbliebene Milchersatzprodukt ist derzeit der Aktienmarkt und deshalb hat der DAX in dieser Woche zu Recht ein neues Allzeithoch erreicht. Aktien sind für Sparer die Hafermilch für Inflations-Intoleranz. Und ich glaube fest daran, dass der Aktienmarkt durch seine Vielfalt an Möglichkeiten auch für das zweite Halbjahr positive Überraschungen liefern wird, während die Mahner und Warner aussehen wie Milchbubis, denen man das Glas Milch vor der Nase wegschnappt. Aber egal ob Hafer-, Soja, Mandel- oder doch Kuhmilch – im Supermarktregal wie an der Börse ist für jeden etwas zu holen. Oder wie sagte schon der große deutsche Milchschnitten-Philosoph Jan Böhmermann: „Vorschlag zur Güte: Absolut gar nichts darf mehr Milch heißen und Milch heißt ab jetzt Kuhdrink.“ Apropos Böhmermann:
Milchmädchenrechnung
Der schickte diese Woche durch Aussagen in seiner Sendung die Aktie von Eventim auf Talfahrt. 18% Kursrückgang nach Enthüllungen von Jan Böhmermann zu den Geschäftspraktiken des Eventim CEOs Klaus-Peter Schulenberg. Die vermeintlichen Enthüllungen lüfteten aber bestenfalls einen Milchschleier von ohnehin bekannten Fakten und sind zudem weder strafrechtlich oder regulatorisch relevant. Vielmehr zeigte Böhmermann auf, wie erfolgreich das Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung erobert hat und prächtig verdient. Ich halte den vermeintlichen medialen Erfolg daher für eine Milchmädchenrechnung und freue mich, dass man zu diesen Schnäppchenpreisen die Eventim-Aktie kaufen kann. Wie wir ja alle wissen, nicht die Moral macht´s, sondern die Milch macht´s. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein Wochenende in einem Zuhause, wo Milch und Honig fließen, während ich „Milch“ für diese Woche verabschiede.
Ihr Volker Schilling
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Lieber Volker Schilling,
wer bezweifelt nach dem Lesen noch, dass nicht Wasser die wichtigste Flüssigkeit für das Leben auf unserem Planeten ist. Aber die ÜBERSCHRIFT? Wurde ich doch kürzlich („etwas“) schmunzelnd belehrt, dass „Milchmenschenrechnung“ korrekter wäre. Seither bevorzuge ich „MM-Rechnung“.👩💻
p.s.: „MM“ soll sogar (zumindest bzgl. der Gagen) ein Gegenbeispiel gewesen sein.
Lieber Robert, ich hab ja die Milchmädchen, sowie die Milchbubis gleichermaßen integriert. Finde deine non-binäre Milchmenschen aber auch unterhaltsam. 😉
Es sind nicht meine Milchmenschen – ich habe sie „(ein)geschenkt“ gekriegt – und nehme an, dass unsere Floristinnen mit uns so oder so einigermassen (?) „Happy“ sind.
„Nominalillusion“ 100 Punkte🏆🥇
Übrigens: Daimler Truck meldet wiederholt gute Geschäfte – außer in China.
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Das erinnert mich an die Dow-Theorie: Wenn der Dow-Transportation den Aufwärtstrend des Dow Jones bestätigt, ist der Aufschwung stabil.
Ich denke, dass Gold wegen der steigenden Aktienmärkte und der wieder höheren Zinsen in nächster Zeit schwächer tendiert. Dann plane ich meinen Gold-Anteil zu Lasten des Aktienanteils wieder auf 20% zu bringen. Was Anleihen angeht, habe ich mich jetzt komplett dagegen entschieden.
„Anleihen….komplett dagegen entschieden“ Hhm. Aries kann ich gut verstehen. Seit geraumer Zeit habe ich mich ja auch entsprechend mehrfach so geäussert. Sind halt keine Sachwerte. Andererseits war heute v. Ifo zu hören, dass die Inflation 2024 sich der 2% Grenze nähern soll. Für solide dt. Unternehmensanleihen dürfte es aktuell im Laufzeitbereich bis 5 Jahre klar über 2 % geben. Da komm ich dann doch ins Grübeln…10% in Anleihen?
Eigentlich will ich mehr als ein oder zwei Prozent über Inflation.
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Außerdem: Wenn die Anleiherenditen fallen, steigen die Aktien. Und bei Firmenbonds bist du ja auch indirekt am Geschäftserfolg beteiligt, nur dass die Bonds weniger schwanken als die Aktien.
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Falls du aber eine stagnierende Wirtschaft erwartest, bist du mit Bonds erfolgreicher Firmen wahrscheinlich gut bedient. Dann bekommst du die Zinsen und am Laufzeitende das Kapital zurück.
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Und: Die 2% Inflation möchte ich erst mal sehen. Ich rechne damit, dass sich die Inflation für einige Zeit bei 4% einpendelt.
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Raimund soll mal seine Glaskugel rausholen!
Ganz ohne Glaskugel muss man sich nur den Verlauf der 10-Jahresrendite anschauen: Da gab es 2022 durch den fulminanten Bruch des langfristigen Abwärtstrends ein nach oben gerichtetes Signal, das auf Jahre hinaus Bestand haben sollte. Und da die realen Renditen aus den bekannten Gründen niedrig bleiben dürften, kann es im Gegenzug nur höhere Inflationsraten geben.
Ich denke dass niemand die Inflation prognostizieren kann. Deswegen beteilige ich mich nicht daran.
Was, wenn China deflationiert?
Haben wir bereits eine Deflation?
Hat China tatsächlich signifikante Wirtschaftsprobleme?
Falls ja, inwieweit spielen die US-Zinsen eine Rolle diesbezüglich?
Sind die Tarifabschlüsse denn wirklich so hoch in Deutschland?
Wie dem auch sei, schön zu sehen dass manch Notenbank nach wie vor die Zinsen erhöht.
An die 2% Inflation in DE mag ich nicht glauben. Das HRI zitierte vor wenigen Tagen die EZB mit 3% Kerninflation für 2024 – und die bisherigen Tarifabschlüsse?
Hhm. naja Ifo wird sich seine 2%-Prognose vorher auch überlegt haben. „Wer weiss das schon?“/ Lindemann. Bei der Gelegenheit: Überschriften sind gegelentlich irritierend. Kürzlich wohl sogar bei ntv „Dax 16000 sind Geschichte“. Was wollten uns die Journalisten damit sagen?
Hat irgendein Institut vor 2,5 Jahren die aktuelle Inflation vorausgesagt?
Ich kann mich nicht erinnern.
Yellen hat die anziehende Inflation in den USA lange Zeit verneint und abbügeln wollen. Politiker in eben.
Insofern ist aus meiner Sicht in den nächsten 2,5 Jahren alles möglich.
@Peter „Ifo wird sich seine 2%-Prognose vorher auch überlegt haben“.
IFO: Die Deutsche Bundesbank hat für 2024 um 3% für die Inflation (Total sowie Kern) und um 2,7% für 2025 gelistet. Zumindest eine „Schwarze Null“ für den Realzins für „gute“ Anleihen wäre einigermassen realistisch – für z. B. Cash Reserve oder Zwischenparken; mit Festgeld evtl. noch zu vergleichen. IFO macht seine monatlichen Analysen zum Geschäftsklima auf der Basis von Unternehmens-Umfragen von ca. 9000 Meldungen. Falls da auch Inflationserwartungen abgefragt werden, dann wären die 2% vlt. solche der Unternehmen. Bei solchen Annahmen werden meist die Zweitrunden-Effekte (Lohntarife) berücksichtigt – aber durch gegenläufige Energiepreise (teil/über?)kompensiert. Das Erste kann man nachvollziehen – das Zweite ? Diese Studie ist als PDF verfügbar und kann (nach Feierabend gemütlich bei einem Glas Rotwein) durchgeschmökert werden. Ich habe dies bisher nicht getan (das mit der Studie).😏
„ÜBERSCHRIFTEN sind gelegentlich irritierend“: Die Journalisten sind eben innovativ – und wie zu lesen sind Titel auch im Forum ein Diskussionsthema. Klar: „IM WESTEN NICHTS NEUES“ würde nur eine negative Anzahl von Kommentaren produzieren. Bei „Pumpen“ wäre wohl das Bild eines menschlichen Exemplars nur geringfügig „irritierend“ gewesen – und hätte Clicks vlt. stärker nach oben „gepumpt“🫀.
„DAX 16000 sind Geschichte“ War da nicht eine Geschichte ums Wetten bzgl. 8000 und/oder 16000 – schon eine Weile her – scheint Geschichte zu sein; insoweit „treffende Überschrift“.🍾
@Robert….m.E. hat sich der Nebel etwas gelichtet. Das Chance/Risikoverhältnis f. Festverzinsliche Anleihen ist heute m. E. günstiger als die letzten 2 Jahre. Wieweit die Konjunktur abstürzt…wer weiss das schon? An meinen Aktien halte ich fest.
@Peter,
JA: USA hat für 10y Treas. jetzt um 0% Realzins und DE für die Umlaufrendite um -3,5%, beides mit positivem Trend. USA werden wohl bald ein +Zeichen haben. Bei der EZB bin ich skeptisch, ob sie das tatsächlich will oder ob an einem bestimmten Punkt die Schulden von z. B. Italien und deren Finanzierung wieder Priorität bekommen. Bei den Aktien hatten wir mal eine schlechte Woche.