von Rainer Kraushaar
Hallo Raimund,
unter dem folgenden Link habe ich bei der ING Bank einen Podcast über den Pfandbrief angehört.
Jetzt ist es doch eigentlich so, dass jeder Cent Kredit den eine Bank an einen Kunden vergibt (egal ob Konsumkredit, Immobilienkredit etc.) völlig neu geschaffenes Geld aus dem Nichts ist, was mit den Einlagen einer Bank zuerst einmal nichts zu tun hat. So schreibst Du es ja auch in Deinem Buch.
In diesem Podcast kommt der Mitarbeiter, der für Refinanzierungen bzw. die Ausgabe von Pfandbriefen zuständig ist zu Wort. Er erklärt den Pfandbrief. Während des Podcasts wird bei Minute 21:50 festgestellt, dass der Pfandbrief hohe Auflagen hat und eigentlich kompliziert ist. Daher fragt ihn der interviewende Kollege, warum die ING Bank eigentlich sich nicht 100 % aus den Kundeneinlagen refinanziert. Die Antwort des Mitarbeiters lautet, weil die Bank sonst Gefahr läuft, dass bei hohen Geldabflüssen die Refinanzierung (der vergebenen Kredite) nicht mehr gesichert ist. Mit dieser Antwort impliziert er, dass aus den Kundeneinlage die Immobilienkredite vergeben werden könnten. Mit anderen Worten: Einlagen werden an die Kreditkunden weitergereicht.
Nach meiner Meinung (auch so steht`s auch in Deinem Buch) sind Geldeinlagen von Bankkunden primär für die Mindestreserve notwendig. Das bedeutet, sie benötigt einen gewissen Anteil an Zentralbankgeld (= Vollgeld). Die direkt vergebenen Kredite haben nichts mit den Kundeneinlagen direkt zu tun, außer dass es Probleme mit der von der Zentralbank geforderten Mindestreserve geben kann.
Kannst Du das bitte nochmal genauer erläutern? Und vor allem was damit gemeint ist und warum immer wieder die Kundeneinlagen als Mittel zur Refinanzierungen der div. Kredite genannt werden?
Gruß, Rainer
Sehr gerne, lieber Rainer.
Es geht hier ganz offensichtlich nicht um Kundeneinlagen, die die ING selbst per Kredit geschaffen hat. Denn solche werden ja nach der Kreditvergabe meist zügig woandershin überwiesen, da Kreditnehmende das Geld für irgendeine Anschaffung brauchen. In diesem Moment sind solche Einlagen aus der ING-Bilanz verschwunden.
Hier geht es offenbar um Einlagen, die ING-Kunden von Kunden anderer Banken bekommen haben. Beispiel: Ein Kunde nimmt bei deutschen Bank einen Immobilienkredit auf (in diesem Moment wird Geld geschöpft) und überweist die Kaufsumme an den Verkäufer, der sein Konto bei der ING hat.
In diesem Moment steigen bei der ING die Einlagen auf der Passivseite ihrer Bilanz, gleichzeitig müssen im selben Umfang aber auch die Vermögenswerte auf der Aktivseite zunehmen. Etwa durch eine Forderung gegen die Zentralbank oder gegen die Deutsche Bank.
Also: Es geht um Einlagen, die von außen kommen und die immer einen entsprechenden Vermögenswert mitbringen. Dann sind Pfandbrief und Einlage vergleichbar, wenn man mal die Fristigkeit außer acht lässt.
Bitte melde dich nochmal, falls du dazu noch Nachfragen hast.
Ich habe den Podcast so verstanden: Die ING vergibt einen Immobilienkredit an einen Kunden. Das Geld dafür kommt wahrscheinlich von der Zentralbank. Bis zu 60 % der als Sicherheit verpfändeten Immobilie kann sie als Pfandbrief verpacken und anderen Kunden als Schuldverschreibung anbieten. Dadurch vergrößert die ING dann ihre Liquidität und ihre Handlungsmöglichkeiten.
.
Die Sicherheit der Pfandbriefe besteht darin, dass sie im Insolvenzfall der Bank vorrangig behandelt werden.
.
Das Ganze geschieht nicht mit Einzelimmobilien, sonder in großen Paketen, in denen die Immobilien und die Schuldverschreibungen gepoolt werden. Deshalb sind für diesen Vorgang Experten nötig.
Nein, wenn die ING einen Kredit vergibt, kommt das Geld dafür nicht von der Zentralbank. Ich glaube, das hat Rainer auch schon richtig verstanden. Ihm ging es mehr um die Frage, warum Einlagen und Pfandbriefe gleichwertige Refinanzierungsalternativen sein können.
Richtig ist natürlich, dass sich die ING für Hypo-Kredite, die sie vergibt, Sicherheiten geben lässt. Und mit diesen Sicherheiten kann sie wiederum Pfandbriefe besichern.
Vielen Dank für die Rückmeldung.
Vielleicht kam meine eigentliche Frage nicht deutlich rüber. Ich wollte nicht primär den Pfandbrief mit der Bankeinlage vergleichen.
Was mich irritiert sind die Aussagen, dass die ING Bank diese Einlagen, die von fremden Banken kommen (wie oben das Beispiel mit der Deutschen Bank), für die Refinanzierung Ihrer Kredite verwendet bzw. benötigt. Ob diese Fremdgelder via Pfandbrief oder durch Überweisung von Kunden einer Drittbank in die Bilanz der ING Eingang finden ist ja erstmal egal. Der Mitarbeiter der Bank sieht im Falle von Kundeneinlagen das Risiko darin, dass die Kunden, welche die Gelder von fremden Banken auf Ihre Konto bei der ING erhalten haben, diese auch wieder aus den unterschiedlichsten Gründen in größeren Mengen abziehen könnten und dadurch die Refinanzierung der Kredite gefährdt ist. Im Prinzip müsste es doch egal sein, ob die Kunden diese Gelder wieder abziehen, weil diese Gelder für die Kreditschöpfung doch gar nicht benötigt wird wie der Mitarbeiter behauptet. Im Falle von Geldabflüssen wird maximal die Bankbilanzsummen niedriger (die Passiv- und Aktivseite sinken gleichzeitig um diese abgezogenen Beträge). Die Aussagen des Mitarbeiters erinnern mich an Anshu Jain, der als Vorstand der Deutschen Bank der Meinung war, dass die Deutsch Bank Kundeneinlagen direkt als Kredit weiterreicht.
Also: Bei Jain war das anders. Jain hatte damals abgestritten, dass die Deuba Geld schöpft und es so beschrieben, wie du es schreibst. Der ING-Mann hat aber über Geldschöpfung nicht gesprochen, wenn ich dich richtig verstehe, sondern nur über die Refinanzierung.
Insgesamt scheinst du die Fristigkeiten in ihrer Bedeutung nicht ausreichend zu würdigen: Einer langfristigen Forderung, die durch die Kreditvergabe auf der Aktivseite entsteht, sollte auf der Passivseite auch eine langfristige Verbindlichkeit gegenüberstehen. Das ist zunächst aber nicht der Fall, weil mit der Kreditvergabe zwar die langfristige Forderung entsteht, dieser Forderung aber nur eine kurzfristige Verbindlichkeit gegenüber steht, nämlich die Einlage des Kreditnehmers.
Folglich muss die Bank im Lauf der Zeit versuchen, auf der Passivseite in etwa genauso hohe langfristige Verbindlichkeiten aufzubauen, wie sie auf der Aktivseite Forderungen hat. Man nennt das Fristenkongruenz. Kundeneinlagen auf der Passivseite taugen dazu nur bedingt, weil sie i.d.R. relativ kurzfristig wieder abgerufen werden können. Dafür sind Pfandbriefe besser geeignet. Ist doch eigentlich logisch, oder?
Wieso irritiert D
Vielen Dank, ich war auf der Leitung gesessen. Vor lauter Geldschöpfungsgedanken und die Folgen bin ich abgedriftet. Die Fristenkongruenz war Teil meiner Lehre vor über 30 Jahren, ich war gedanklich ganz wo anders. Am besten alles löschen 🙂
Dir einen schönen Abend!
Schön, dass wir das so rasch klären konnten 🙂
Löschen sollten wir das aber nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass andere ähnliche Fragen haben. Das Geldgeschäft ist ja tatsächlich recht kompliziert.
Danke, das mit der Fristenkongruenz habe ich verstanden.
.
Es bleibt aber die Frage, woher die ING das Geld für ihre Immobilienkreditvergabe ursprünglich bekommt. … sozusagen ehe sie aus bestehenden Krediten Pfandbriefe begeben kann und neue Einlagen aus anderen Quellen bekommt. Dieses Geld schöpft sie doch aus dem Nichts, oder?
Sie schöpft dieses Geld selbst, vollkommen richtig. Inwieweit es vollständig aus dem Nichts ist, darüber kann man streiten, solange sie dafür Sicherheiten verpfändet. Die sind ja nicht Nichts.